Ein Pferd wird in der Bahn geritten. Der Reiter achtet darauf, dass seine Stute ordentlich vorwärts geht und der Kopf muss unten sein. Theoretisch ist das natürlich alles richtig. Die Hinterhand ist der Motor des Pferdes. Ihre Aktivität darf niemals unterbrochen sein, dass Pferd darf sich niemals verhalten und muss seine Bewegungsenergie federnd nach vorwärts-aufwärts schicken. Selbstverständlich soll das Pferd korrekt durch das Genick gehen, da es sonst seine Rückenmuskulatur nicht richtig einsetzt und den Reiter nicht ohne Folgeschäden tragen kann.

Mir fällt im Alltag meiner Tätigkeit als Ausbilderin immer wieder auf, dass viele Reiter nicht erkennen, ob ein Pferd in Balance läuft. Balance heißt in diesem Zusammenhang, die Hinterhand trägt, das Pferd ist leicht in der Hand, stützt sich nicht auf den Zügeln ab und hebt sich reell im Widerrist. So furchtbar viele Pferde werden durch ein falsch verstandenes Vorwärts aus der Balance und AUF die Schultern gebracht und ihre Reiter merken und sehen es auch von unten nicht! Den Blick zu schulen ist eine meiner Herzensangelegenheiten. Stellen Sie sich an die Bande und beobachten Sie Pferde in freier Bewegung und auch unter dem Sattel. Ein balanciertes Pferd ergibt mit seinem Reiter ein zentaurengleiches Gesamtbild. Die Hilfengebung ist unsichtbar. Das Pferd wächst unter seinem Reiter und seine Bewegungsenergie fließt nach vorne oben. Das Pferd hebt sich regelrecht in den Schultern. Ein falsch gearbeitetes Pferd läuft in den Boden nach vorne unten. Die Schultern bewegen sich nicht frei und werden immer verspannter. Je länger das Pferd so falsch geritten wird, desto mehr werden Sie das Gefühl haben, Sie reiten bergab. Auch von unten sieht es nicht harmonisch und leicht aus. Die Vorhand klebt förmlich am Boden.

Jeder kann seinen Blick schulen. Dies ist kein Ding der Unmöglichkeit und es bereitet auch Freude, wenn wir erkennen wo dem jeweiligen Pferd jetzt gerade Dinge schwer fallen.

Zum Balancieren gehört aber auch die seitliche Beweglichkeit des Pferdes. Zu welcher Seite ist das Pferd hohl? Zu welcher ist es steif? Hier kommen nun die Seitengänge ins Spiel. Die Seitengänge sind so einzusetzen, dass die steife Seite beweglicher gemacht wird.  Wichtig ist hier auch gut darauf zu achten, dass die hohle Seite nicht noch verstärkt wird. Aus diesem Grund ist stumpfes „Durchstellen“ zu beiden Seiten auch keine ordentliche Dressurarbeit. Stelle ich das Pferd auf der hohlen Seite zu stark, bringe ich es mehr auf die äußere Schulter und verstärke sogar noch seine Schiefe.

Beide Ebenen des Pferdes, die horizontale und die vertikale, sind bei der täglichen Arbeit zu beachten. Der intelligente Einsatz der Seitengänge und der korrekte Einsatz des Vorwärts bringt das Pferd mehr und mehr in Balance auf beiden Ebenen und bringt einen vierbeinigen Partner hervor, wo das Reiten ein wahre Freude ist.

 

Andrea Lipp, April 2015