Vor kurzem wurde folgendes Zitat von Udo Bürger geteilt:

„Wer es begriffen hat, daß die Zügel nur dazu da sind, um dem Pferd das Finden in die Balance zu erleichtern und es darin zu erhalten, so daß es sich trägt, nicht aber dazu, dem Pferd eine gewünschte Kopf-Hals-Haltung anzuzwingen, bei dem kommen die Pferde von selbst in die angestrebte Haltung.“

Dies ist ein ganz wundervolles Zitat, geht es doch hier darum, dass der Zügel als sekundäre Hilfe niemals dazu verwendet werden darf, das Pferd in eine bestimmte Form zu pressen. Die primären Hilfen sind immer die Gewichts- und Schenkelhilfen. Diese können nur aus einem korrekten und balancierten Sitz entstehen. Reiter die mit gravierenden Sitzfehlern auf ihren Pferden sitzen, können niemals korrekt einwirken. Daher ist die lebenslange Arbeit an unserem Sitz das A und O. Die Korrektur des Sitzes gehört zu jeder Reitstunde dazu. Doch nun zurück zur Anlehnung. Anlehnung bedeutet, dass der Reiter ein maximales Gewicht von 2 g Backpulver in seiner Hand spürt. Das Pferd stützt sich bei der korrekten Anlehnung auf keinem der beiden Zügel ab. Anlehnung heißt aber auch, dass das Pferd nach vorne zieht und selbst Kontakt zur Hand sucht. Von vermeintlichen Reitkünstlern sieht man immer wieder Fotos auf denen das Pferd leicht in der Hand ist. Der Zügel hängt hier durch,  weil das Pferd hinter den Hilfen ist und das Pferd nicht genug nach vorne geritten ist. Wenn ich von „nach vorne Reiten“ spreche, meine ich niemals ein sinnloses nach Vorwärts Gehetze (siehe den dazu gehörigen Blogartikel zu diesem Thema).

Ich habe ja schon häufiger beschrieben, dass ich nach meiner Turnierzeit,  in der ich einen sehr groben Reitstil hatte, in einen übertrieben sanften Stil schwenkte. Meine Hände waren offen, die Zügel sprangen, das Pferd war untertourig und der Rücken war weg. Es fühlte sich alles fein und leicht an, war aber genauso falsch wie der alte, grobe Reitstil. Feines Reiten heißt nicht, dass man die Zügel wegwirft. Feines Reiten heißt auch nicht, dass das Pferd einem niemals Druck in die Hand bringt. Natürlich gibt es Momente, in denen Sie die Hand auch mal stehen lassen müssen, um Ihrem Pferd die gewünschte Silhouette vorzugeben. Die Verbindung sollte nur nach wenigen Momenten wieder zu den 2g zurückgekehrt sein. Wenn Sie am Ende Ihrer Einheit 5kg auf der Hand haben, läuft etwas falsch. Ihr Pferd muss im Laufe der Übungssequenz immer leichter in der Hand werden. Anlehnung heißt aber auch, dass der Zügel vom Pferd gestrafft wird. Dies geschieht, indem es von Ihnen aktiv und korrekt nach vorne gearbeitet wird und Sie die Zügelverbindung anbieten, sprich auch selbst den feinen Kontakt zu beiden Maulwinkel halten.

Auf den Fotos sehen Sie zweimal Pardo. Das linke Foto zeigt Pardo in einer vermeintlich schönen runden Form. Hier sehen Sie keine Anlehnung im klassischen Sinn. Das Pferd ist hinter den Hilfen. Der Hals ist zwar gerundet,  aber der Rücken hängt da er mit der Hinterhand nicht genug nach vorne zieht. Außerdem ist das Genick zu tief. Das rechte Foto ist Jahre später entstanden. Die Anlehnung ist vorbildlich. Der Trensenzügel steht leicht an. Pardo sucht den Kontakt. Die Nase ist vor der Senkrechten. Besonders gut zu sehen ist das schön aktive Hinterbein und der gut angehobene Rücken. Pardo ist regelrecht im Widerrist gewachsen. Der selbstverständlich 3:1 geführte Kandarenzügel ist ganz weich.

Andrea Lipp November 2017