Heute Abend war ich bei einen sehr, sehr talentierten Kundin, die zwei Isi-Stuten besitzt. Thema heute war bei ihrer Stute das Davoneilen. Früher wurde dieses Pferd auf Anweisung der damaligen Ausbilder sehr stark zwischen Hand und Bein komprimiert. Das Ergebnis war ein extrem gehetztes Pferd (Angsttemperament), welches stark über dem Zügel ging oder sich extrem auf dem Zügel festbiss. Das Pferd lief mit kurzer Oberlinie. Pferd und Reiterin waren beide sehr gestresst. Ein vertrauensvolles Langmachen und ein Herandehnen an die Reiterhand, bei gleichbleibendem Takt war in der heutigen Reitstunde das Ziel. Die Reiterin welche ihr anderes Pferd mit sehr feinen Händen reitet, hat auf diesem Pferd einen sehr angespannten Oberkörper und relativ feste Hände. Der Erste Schritt in dieser Reitstunde war die Entspannung des Reiter-Oberkörpers inklusive der Achse Schulter-Ellenbogen-Zügelfaust. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Zügel komplett weggeschmissen wird. Die besagte Stute hatte ja Angst vor der Reiterhand. Das heißt für uns als Reiter, dass wir dem Pferd während unserer Arbeit eine weiche, stete, aber absolut gefühlvolle Verbindung an den Maulwinkeln anbieten. Nur so lernt es, dass es unseren Reiterhänden vertrauen kann. Dies bedeutet aber nicht, dass wir Druck auf der Hand akzeptieren. Wir sprechen hier wieder von bereits in früheren Artikeln erwähnten „2g-Backpulver“

Der nächste Schritt bei diesem Pferdchen war das Erzeugen eines ruhigen gleichmäßigen Schritts. Dieses Pferd war so voller Spannung, dass ein Antraben um Energie abzubauen, keine in Frage kommende Option war. Im Trab hätte sich das Pferd weiter aufgepuscht und wäre nochmehr ins Rennen gekommen. Ein Großteil der Stunde haben wir uns damit beschäftigt, dem Pferd das taktmäßige Vorwärts im Schritt zu vermitteln. Eine prompte Reaktion auf die Schenkelhilfe wurde absolut überschwänglich gelobt. Als Reaktion wünschten wir uns hier kein eiliges Davonzappeln, sondern eine Reaktion in Form eines größeren Schrittes. Falls die Stute auf die treibende Hilfe mit Loszackeln reagiert hat, haben wir dies mit einem ruhigen, verzögerten Sitz aus einem breiten, weichen Gesäß reguliert. Im Laufe der Unterrichtseinheit hat die Stute mehr und mehr verstanden, dass die prompte Reaktion in Form von ruhigem, taktklaren Vorwärts absolut erwünscht ist. Der Takt wurde besser, der nach oben rausgedrückte Hals begann länger zu werden und die Stute begann den Kontakt zu beiden Zügeln zu suchen. Diese Art der Arbeit kann bei solch einem Korrekturpferd durchaus 20 min oder länger in Anspruch nehmen. Das Pferd arbeitet, obwohl „nur“ im Schritt unterwegs, auf Hochtouren, muss es doch Muskeln benutzen, die es bisher nicht verwendet hat. Die Oberlinie wurde im Laufe der Einheit immer länger, das Pferd begann von hinten nach vorne Kontakt zu beiden Zügelhänden zu suchen. Diese Versuche wurden ebenfalls ausführlich stimmlich gelobt. Die Hand wurde konstant weich angeboten. Wir wollen bei diesen Pferden, dass sie unsere Hand suchen und vor allem wollen wir, dass sie Vertrauen zu unserer Reiterhand bekommen. Die Stute wurde während dieser Arbeit im Schritt immer ruhiger und fing auch an abzuschnauben. Dies war der Zeitpunkt, wo wir an den Trab gedacht haben. Trab war bei diesem Pferd früher eigentlich fast unmöglich. Durch das konsquente Vorwärts reiten und die immer länger werden Oberlinie, hatten wir durch die vorherige Schrittarbeit sofort einen harmonischen und taktklaren Trab.
Auch Islandpferde können ruhig, ausdruckstark und dennoch fein an der Hand und ohne Hektik geritten werden. Mit Gangpferden ist manches herausfordernder, da es gilt mehr Gänge zu sortieren. Auch diese tollen Pferde müssen korrekt und klassisch gearbeitet werden.

 

 

Andrea Lipp, Juni 2016