Mir begegnen im Unterricht so unfassbar oft falsch getragene Zügelhände. Das geht von komplett offenen Händen, über verdeckt getragene Hände, nach vorne verkippte Hände, verkrampfte einzelne Finger, verkantete und gleichzeitig verkrampfte Handrücken und, und, und…. Wie sollen wir als Reiter denn fein mit unserem Pferd kommunizieren, wenn diese so wichtige Schaltstelle zum empfindlichen Pferdemaul grobe Sitzfehler aufweist? Wie kann es sein, dass dies nie korrigiert wird und ich von den Kunden höre „Das wird mir jetzt das erste Mal gesagt und ich habe das noch nie so gehört.“

Und nein, es ist kein Reitlehrer-Terror auch an seinen Zügelhänden zu arbeiten, denn die kleinsten Fehler in der Achse „Pferdemaul-Reiterhand-Ellenbogen“ erzeugen grobe Harmoniestörungen in der Kommunikation mit dem Pferdemaul. Ich möchte den Bereich sogar noch auf den Schultergürtel ausdehnen, denn auch eine feste Schulterpartie führt zu einer steifen Zügelhand. Die drei großen Gelenke unseres Arms also Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenk müssen locker getragen werden. Ellenbogen und Handgelenk ergeben mit dem Maul eine gedachte Linie. Die Zügelhand muss aufrecht getragen werden, das heißt der Daumen ist der höchste Punkt. Der Daumen liegt auf dem Zügel und zwar nicht draufgepresst, sondern locker oben drauf. Achten Sie gut darauf, dass Ihre Gelenke locker sind. Durchgedrückte Gelenke sind in der Regel festgestellt.

Ihren Ellenbogen sollten sie gewinkelt neben ihrem Körper tragen. Nicht durchgestreckt nach vorne, nicht rangepresst an den Körper und auch nicht abgespreizt wie Topfhenkel. Der Oberarm hängt locker an Ihrem Oberkörper herunter. Ihr Ellenbogengelenk ist ruhig aber in sich beweglich. Bleiben unsere Gelenke beweglich, können wir ruhig sitzen und die Bewegungen des Pferdes abfedern. Dies gilt auch die Gelenke die im Zusammenhang mit unserer Zügelführung stehen. Das Schöne an den Zügelfäusten ist ja nun, dass man sie mit einem kurzen Blick nach unten gut selbst korrigieren kann. Nach diesem Kontrollblick lassen Sie Ihren Blick selbstverständlich wieder frei nach vorne schweifen.

Zurück zu Ihrer Zügelfaust. Sie tragen die Faust aufrecht und Ihre Finger sind alle sanft geschlossen. Geschlossen heißt nicht, dass Sie die Hand fest zusammenpressen, sondern ganz locker schließen. Die letzten Gelenke vor Ihren Fingerkuppen drehen Sie bitte nicht ein, sondern legen Sie flach an Ihre Handinnenfläche an. Ihre Zügelfaust ist dann korrekt, wenn Sie ihre Fingernägel noch sehen können. Sind die Fingerkuppen eingedreht, sehen Sie ihre Fingernägel nicht mehr. Das ist falsch. Also Fingerkuppen entspannen und sanft in Kontakt zur Handfläche bringen. Den Zügel haben Sie zwischen Ring- und kleinem Finger ganz bis zur Fingerwurzel geschoben. Den Zügel halten Sie im unteren Bereich Ihrer Zügelhand mit dem kleinen und dem Ringfinger. Diese beiden Finger sind ganz wichtig, da sie mit dem Maul kommunzieren und die Impulse von dort kommen. Sie lassen den Zügel dort auch nie ganz los, haben immer einen weichen Kontakt, gleich einer kleinen Klammer die diese beiden Finger bilden. Sie können annehmend und weich nachgebend sein, aber sie öffnen die Faust nie ganz. Das wäre schon wieder grob und würde dem Pferd unangehme Impulse geben. “Schwamm ausdrücken“ streichen Sie daher bitte komplett aus Ihrem Wortschatz. Diese Vokabel ergibt eine klappende Zügelfaust, die grobe und unpräzise Zügelhilfen gibt. Von der Seite betrachtet sollte Ihre Zügelfaust ein harmonisches Bild ergeben. Einzelne Finger sollten nicht herausstehen oder gar abgespreizt sein. Alle Finger liegen schön ordentlich übereinander.

Sind Ihre Hände verdeckt getragen (nach innen gekippt), nach vorne gekippt oder nach außen getragen ist das kein Schönheitsfehler sondern eine gravierende Störstelle in Ihrer Hilfengebung. Wenn Sie nun beginnen an Ihren Zügelhänden zu arbeiten, passen Sie bitte gut auf, dass Sie dabei nicht verkrampfen. Die Muskulatur Ihrers Handrückens sollte stets entspannt sein. Ihre Hände tragen Sie selbstverständlich frei vor sich, ohne irgendwelche unerwünschten Impulse auf das Pferdemaul zu geben. Ihr Pferd muss immer das Gefühl haben, dass es durch Ihre Zügelhände hindurchschreiten. -traben oder -galoppieren kann.

Andrea Lipp, Januar 2018