Gerade sagte eine Kundin zu mir „Wenn mein Pferd mal nicht mehr ist, werde ich kein neues Pferd bekommen. Ich finde die Pferdeleute zu anstrengend. Ich mag nicht mehr.“ Einen ganz ähnlichen Satz habe ich von einer anderen Kundin ebenfalls gehört. Diese war damals so traurig über die Stimmung an ihrem Stall, dass sie am liebsten ihr heißgeliebtes Pferd verkaufen wollte, damit sie wieder Ruhe hatte. 
 
Wie kann es sein, dass Pferdemenschen, die doch das wundervollste Hobby der Welt haben, sich in einigen Ställen gegenseitig das Leben so schwer machen? Die Möglichkeit sich jeden Tag mit diesem schönen Geschöpf „Pferd“ befassen zu dürfen, sollte doch eigentlich dankbar und glücklich machen. Leider ist dem an einigen Ställen nicht so. Da gibt es Höfe, die als regelrechte „Zicken-Burgen“ bekannt sind und in die man lieber nicht gehen sollte. Im März 2015 gab es sogar im Magazin der Süddeutschen Zeitung einen Artikel von Kerstin Greiner über das Verhalten von Mädchen an Reitställen. Der Titel lautete „Was hat die denn geritten? Nirgends werden Mädchen so gemein wie in der Gesellschaft von Pferden. Warum?“ Auch in diesem Artikel wird davon berichtet, dass selbst bei den kleinen Mädchen bereits ein Verhalten von Stutenbissigkeit gezeigt wird. Lästern, mobben, Intrigen spinnen – Alltag in einigen Pferdeställen. In diesem Artikel kam auch die Gender-Forscherin Lotte Rose zu Wort. Sie nannte als Erklärung die Möglichkeit der Doppelseitigkeit im Verhalten. Mädchen dürfen sich am Reitstall auch verhalten wie Jungen. „Das Mädchen darf hier nicht nur Mädchen sein, sondern auch Junge: nicht nur liebend, sondern auch hassend, nicht nur defensiv, sondern auch aggressiv, nicht nur zärtlich, sondern auch gewalttätig, nicht nur sanftmütig, sondern auch befehlend, nicht nur bescheiden, sondern auch beherrschend. Es findet als Reiterin einen Ort und ein Objekt der Geschlechtsüberschreitung.
 
Für den friedliebenden erwachsenen oder auch noch kindlichen Reiter sind solche oben beschriebenen Stallkollegen der wahre Graus. 
 
Eine entscheidene Rolle für die herrschende Kultur des miteinander Umgehens hat hier der Stallbetreiber. Leider gibt es Ställe, in denen der Stallbetreiber durch sein eigenes Verhalten einen regelrechten Nährboden für schlechte Stimmung bereitet. Es existieren Reitanlagen aus denen Kunden von bestimmten Gruppen rausgemobbbt werden. Da wird zum Beispiel mit dem Trecker die Halle gezogen wird, während die unbeliebte Person noch das Pferd arbeitet. Rolltore werden absichtlich hochgefahren, obwohl schreckhafte junge Pferde daneben stehen und sich vor Angst fast aufhängen. Reiter auf jungen Pferden werden bewusst von anderen Reitern an die Bande geritten und so in Gefahr gebracht.Viele von Ihnen können die Liste aus solchen Ställen wahrscheinlich erweitern. Bei Mobbing handelt es sich sogar um einen Tatbestand nach Strafgesetzbuch. Wird das Mobbing als Körperverletzung eingestuft kann eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe drohen. Glücklicherweise kenne ich auch viele Ställe, an denen es eine Freude ist zu arbeiten. Die Stallbetreiber leben ein freundliches Miteinander vor und dulden keinen unfreundlichen Umgang unter Ihren Kunden.Diese Reitanlagen sind regelrechte kleine Oasen des Friedens. Dort geht es Zwei- und Vierbeinern gut.
 
Hier heißt es für Sie als Kunde Augen auf bei der Stallsuche. Verlassen Sie sich auf Ihr Bauchgefühl. Häufig spürt man bereits, sobald man den Fuß aus dem Auto setzt, ob an diesem Ort eine gute oder schlechte Stimmung herrscht. Ich bin durch den mobilen Unterricht und die Wochenendkurse auf vielen Höfen unterwegs. Bisher hat der erste Eindruck immer gestimmt. Hören Sie sich auch im Vorfeld um. Man muss nicht immer alles glauben, was über Höfe so erzählt wird, aber einiges stimmt dann leider doch häufig. Möchten Sie im Sinne der klassischen Reiterei positiv und wohlwollend mit Ihrem Pferd arbeiten, brauchen Sie zwingend einen positiven und friedlichen Ort, an dem Ihr Pferd steht. Sie können nur harmonisch mit Ihrem Pferd arbeiten, wenn Sie sich auf der Reitanlage selbst gerne und lange aufhalten. Sie müssen die Stallbetreiber mögen und sich selbst auch in der Stallgemeinschaft aufgehoben fühlen. Sie würden Ihren Liebling ja auch nicht in eine Herde stellen, in der er nicht sein mag.
 
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen wundervolle Stunden mit Ihrem Pferd, umgeben von lieben Menschen die sich für Sie und mit Ihnen freuen.
 
Herzlichst 
 
 
Ihre Andrea Lipp
 
 
 
Dezember 2018
Foto: Pixabay – Alexas_Fotos