Gerade habe ich einen Film von angeblich klassisch-barock gearbeiteten Lehrpferden gesehen. Alle gezeigten Pferden waren taktunrein und schwunglos. Die Follower trotzdem begeistert.

Warum wird schwungloses Dahergereite mit abgesacktem Rücken von den Kunden als harmonisch empfunden? Nur weil die Pferde nicht übertrieben  nach vorne gepuscht werden und die Arbeit vermeintlich entspannt aussieht, heißt es nicht, dass diese Pferde über den Rücken gehen. Es gibt so viele Strömungen in der heutigen Reiterei. Egal nach welchem Stil ich reite, ist  der Takt das oberste Gebot. Die Arbeit kann noch so vermeintlich harmonisch aussehen. Verliert das Pferd den Takt, deutet dies darauf hin, dass es nicht im Gleichgewicht ist und die Hinterhand als elementarer Motor nicht verlässlich arbeitet. Die Dressurarbeit sollte sich immer mit dem beschäftigen, was hinter dem Sattel meines Pferdes abläuft. Eine gleichmäßig, rhythmisch arbeitende Hinterhand ist die Grundlage für einen aufgewölbten Rücken. Verhält sich das Pferd, sprich der Takt geht verloren und das Pferd zieht nicht mehr gleichmäßig nach vorne, sinkt der Rücken nach unten ab und das Pferd trägt seinen Reiter auf eine ungesunde Art und Weise. Ein nach unten abgesackter, schwungloser Rücken ist grässlicherweise auch noch bequem und vermittelt dem Reiter häufig auch noch ein vermeintlich harmonisches Gefühl.

Der Schritt muss taktklar und schreitend sein. Die Trabtritte sind sauber und schwingend im klaren Zweitakt. Der Galopp darf nicht gelaufen, sondern muss sprunghaft sein. Mit diesem inneren Bild muss ich jede Gangart gedanklich während meiner Reiteinheit betreuen. Das Erfühlen und feine korrigieren der Schritte, Tritte und Sprünge erfordert eine tiefe Fokussierung auf die Bewegungen meines Pferdes. Für mich ist diese Arbeit meditativ. Ich konzentriere mich genau auf das, was ich mit meinen Hilfen auslösen möchte und forme so einen gleichmäßigen schönen Takt und ein sauberes Vorwärts. Auch mit diesem Vorwärts möchte ich spielen können. Wie einen Ball, den ich mal schneller oder langsamer nach vorne rolle, kann ich mit der Bewegungsenergie meines Pferdes spielen. Ich kann es mehr nach vorne schicken und auch wieder in ein ruhigeres Tempo zurückholen. Hat Ihr Pferd die Idee des Vorwärts verstanden, können Sie auf diese Weise ruhig und entspannt mit dem Vorwärts spielen. Es ergeben sich so Übergänge auch innerhalb der Gangart. Mittelschritt-versammelter Schritt-Mittelschritt, Arbeitstrab-versammelter Trab-Arbeitstrab, Mittelgalopp-versammelter Galopp-Mittelgalopp usw. Hakt es noch beim Zulegen oder auch beim Zurücknehmen, deutet das auf noch vorhandene Entwicklungsfelder hin, an denen weiter gearbeitet werden muss.

„Reite Dein Pferd vorwärts und richte es gerade.“ Dieses Zitat von Gustav Steinbrecht wird oft missverstanden und die Pferde werden sinnlos nach vorne gescheucht. Der gleichmäßige ruhige Zug nach vorne ist die Grundlage jeder Dressurarbeit. Nur so kommt der Rücken Ihres Pferdes nach oben!

 

Andrea Lipp, Februar 2017